Die Digitalisierung beginnt beim Kunden
Gleich zu Beginn vermittelt Florian Riedl einen Überblick über die Marken und das Produktportfolio der EnBW – von Energiehandel, Übertragungs- und Verteilnetzen, über Offshore-Windfarmen und Solarfelder, bis hin zu Endkundenversorgung, Speicherlösungen für zuhause und E-Mobilität – und verdeutlicht damit direkt die Herausforderung: die nahtlose Integration der EnBW Marken, Produkte und Dienstleistungen in die Customer Journey.Der Grundstein wurde 2016 gelegt: Mit «EnPower» startete die EnBW das bis dato größte Digitalisierungsprogramm im Konzern.
Es umfasste drei Konzernmarken und erstreckte sich über mehrere Jahre. Sukzessive wurden mehr und mehr Kunden auf die neue IT-Plattform geholt – die Basis für neue digitale Kundenerlebnisse im Endkundenportal, in der Telefonie und im Verkauf.
Das Ziel der vertrieblichen IT- und Prozesslandschaft war laut Riedl in erster Linie, mehr Wertschöpfung im Vertrieb zu schaffen. Seit dem Go-Live im Sommer 2019 können Mitarbeiter Kampagnen, Websites oder Produkte jetzt selbst anlegen und dem Kunden zur Verfügung stellen– unabhängig von anderen Konzernabteilungen wie IT oder Business Analytics.
Auch als Betreiber der EnBW mobility+ App, einer der größten und beliebtesten E-Mobilitäts-Apps im DACH-Markt und Testsieger bei Connect, bestand Handlungsbedarf gegenüber den Kunden. Es galt sicherzustellen, dass die App jederzeit in vollem Umfang und mit einem möglichst positiven Kundenerlebnis genutzt werden kann.
Kundenzentrierung bestimmt die Plattformarchitektur
Für jede Produktkategorie, beispielsweise E-Mobilität, Strom- oder Gasabrechnungen, existiert auf der Plattform ein spezifisches Backend. Der Clou: Jedes Backend ist verknüpft mit den gesammelten Touchpoints der Customer Journey, die in einem ganzheitlichen Kundenprofil DSGVO-konform verbunden und mit weiteren Nutzerdaten angereichert werden. Daraus werden, so Riedl, wiederum personalisierte Kampagnen und andere Maßnahmen abgeleitet und an die Touchpoints zurückgespielt.
Zu den Interaktionspunkten zählen neben der EnBW-Website und der Kundenservice-Telefonie auch verschiedene andere Apps und Websites, wobei das Medium der Kundenkommunikation personalisiert gewählt wird. «Wir kümmern uns darum,» so Riedl „dass die Kundenkommunikation auf dem Kanal erfolgt, der für den Kunden möglich ist und den er für sich auch tatsächlich am angenehmsten findet.» Mithilfe der Plattform gelingt es der EnBW herauszufinden, in welcher Stufe des Kundenlebenszyklus sich der Kunde befindet und die Ansprache darauf auszulegen.
Im nächsten Zug plädiert Riedl gegen die klassische Herangehensweise – da diese die Kundenabsicht und die Kundenreise außer Acht lässt. «Hat der Kunde soeben von uns ein Ärgernis erfahren? Ist er mit uns unzufrieden? Dann sollte er nicht Teil einer vertriebliche Kampagne sein. Das passt nicht zusammen.» Vertriebs-, Service- und Technik-Teams müssen dafür agil und cross-funktional zusammenarbeiten.
Die Zukunft: Next Best Action und Next Best Offer
Heute wird unsere Welt, so Riedl, von einer Omnichannel Journey gesteuert – einer Kundenreise über verschiedene Kanäle hinweg. „Unser zentraler Knotenpunkt darin ist die Next Best Action (NBA) beziehungsweise das Next Best Offer (NBO). Eine komplett umgesetzte Implementierung in Thunderhead,“ fügt Riedl hinzu. Ausgehend von den gesammelten Daten wird für jeden Kunden das richtige NBA ermittelt, damit sich die Erfahrung des Kunden mit der Intention der Kampagnen deckt.
Das gesamte Zusammenspiel auf den unterschiedlichen Kanälen funktioniert dadurch, dass an automatische Trigger angeknüpft wird. Damit ändern sich drastisch die Herangehensweise und die Erwartungshaltung: Das Vorhaben „Ich setze jetzt diese Kampagne um und bekomme versetzt ein Ergebnis“ wird perspektivisch abgelöst von dem Abpassen des richtigen Moments, um das nächste Engagement bzw. die nächste Kampagne gezielt vornehmen zu können. Wie die EnBW auf die Anforderungen der Omnichannel-Welt reagiert, veranschaulicht Riedl anhand konkreter Use Cases.
Use Case 1: Zusatzverkäufe fördern
EnBW bietet derzeit drei zusätzliche Optionen zum Stromvertrag: Ökostrom, Preisgarantie und Haushaltsversicherungspaket; weitere werden im Laufe des kommenden Jahres dazukommen. „Dabei muss es uns gelingen,“ so Riedl, „dass ein Kunde, der im Kundenservice anruft, die richtige Kampagne ausgespielt bekommt und vom Agenten auf das richtige Produkt für ihn hingewiesen wird.“ Das erfordert ein dynamisches System, das die aktuelle Situation des Kunden mit einbezieht. War der Kunde vorher auf der Website oder in der App? Hat die Person gerade eine Rechnung erhalten, ist diese womöglich höher als erwartet? Für die Berechnung des richtigen NBA-Tipps müssen all diese Informationen berücksichtigt werden.
Use Case 2: Personalisierte Kundenreise
Darüber hinaus kann jeder Kunde personalisiert werden – und damit auch die Kommunikation und Interaktion. Auf diese Weise kann beispielsweise das Voice Portal übersprungen und der Kunde direkt zum Agenten durchgeleitet werden oder im Voice Portal direkt eine gezieltere Frage stellen. Hat sich der Kunde wiederum vor dem Anruf auf den Hilfeseiten der Unternehmenswebsite informiert, kann er zur schnelleren Problemlösung direkt zum wahrscheinlich richtigen Kundenberater durchgestellt werden.
Use Case 3: Onboarding Journey für Neukunden
Bei einer typischen Onboarding Journey wird der Neukunde auf Anhieb als solcher erkannt und kann nahtlos in die Erlebniswelt integriert werden – sei es durch das Angebot der richtigen Kommunikationskanäle, Permissions oder Aktivitäten im Portal. „Auch hier zählt insbesondere die Next Best Action“, betont Riedl. Genau da knüpft Thunderhead an, indem alle Aktivitäten in den digitalen Kanälen getrackt, gemessen und optimiert werden.
Use Case 4: Identifikation und Aktivierung von Neukunden
Auch im Bereich Neukundenakquise generiert Thunderhead Vorteile für die EnBW. Gerade bei einem großen Produktportfolio kommt es darauf an, die richtigen Produkte zur richtigen Zeit und über den richtigen Kanal anzubieten. Auch Informationen für die Leadgenerierung müssen zum richtigen Zeitpunkt abgefragt werden. „Das ist der Punkt,“ fasst Riedl zusammen, „wo wir mit Abstand am meisten sagen können, dass Thunderhead uns auf dem Weg geholfen hat, diese Funktionen so gut wie möglich zu realisieren.“
Ausblick: Wohin geht die Reise?
Abschließend wirft Riedl mit uns noch einen Blick in die Zukunft: Momentan finden viele Prozesse noch isoliert statt, Menschen denken nach wie vor gerne in isolierten Use Cases. Wir seien noch nicht in der Lage, jede Interaktionsart mit jeder richtigen Next Best Action zu verbinden – „aber genau das ist unser Ziel“, sagt Riedl. Der Weg dorthin? „Der führt über die Nutzung ganzheitlicher Kundenprofile, eine stärkere Kundenaktivierung - auch über die sozialen Medien - und noch dynamischerer Kampagnen auf verschiedenen Kanälen.“